Ende 2019 brach das Covid-19-Virus aus und verbreitete sich weltweit. Im März 2020 kam dann das Corona-Virus auch in Deutschland an und stellte auch hier zulande das Leben vieler Menschen auf den Kopf. Die Pandemie führte zu maßgeblichen Einschränkungen des gesellschaftlichen Lebens. Restaurants, Hotels und Läden mussten schließen. Arbeitnehmer wurden ins Home-Office geschickt. Veranstaltungen wurden abgesagt. Und auch Kinder und Jugendliche mussten ab sofort zuhause bleiben, da auch die Schulen schlossen. Das Leben aller hatte sich verändert.
Während im ersten Lockdown vermutlich viele Familien noch versuchten, das Positive in dieser neuen Situation zu sehen, zeigen sich nun, zwei Jahre später, doch erste Hinweise, dass die Corona-Pandemie nicht spurlos am psychischen Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen vorbeigegangen ist.
Im Mai 2021 wurde die COPSY-Studie (= Corona & Psyche) zu den Auswirkungen der ersten Welle auf das Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen veröffentlicht (Ravens-Sieberer et al., 2021, a). Im Rahmen dieser Studie wurden die Kinder selbst zu ihrem Wohlbefinden befragt und diese Daten dann anschließend mit den Daten aus der BELLA-Studie verglichen, die das Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen vor der Corona-Pandemie abbildet.
Insgesamt nahmen bundesweit 1586 Eltern von Kindern und Jugendlichen im Alter von 7-17 Jahren und 1040 Kinder und Jugendliche im Alter von 11-17 Jahren an der Studie teil. Im Rahmen dessen gaben 70,7% der Kinder und Jugendlichen und 75,4% der Eltern an, dass sie sich durch die Pandemie und den damit einhergehenden Veränderungen belastet fühlten. Als Gründe dafür wurden von den Kindern und Jugendlichen Homeschooling (64,4%), weniger Kontakt zu Freunden (82,8%) und häufigerer Streit in der Familie (27,6%) angegeben.
Die Prävalenz für psychische Auffälligkeiten stieg von 17,6% auf 30,4%. Das bedeutet, dass während der Pandemie für jedes dritte Kind psychische Auffälligkeiten berichtet wurden, während vor der Pandemie dies nur für jedes fünfte Kind galt. Eine besondere Belastung zeigt sich insbesondere für jene Kinder, deren Eltern einen niedrigen Bildungsabschluss haben, einen Migrationshintergrund haben und/oder auf beengtem Raum leben (< 20 m2 Wohnfläche/Person). So berichteten beispielsweise Kinder von Eltern mit niedrigem Bildungsabschluss doppelt so häufig von einer Belastung durch die Pandemie. Außerdem empfanden ein Drittel dieser Kinder das Lernen als anstrengender, während dies nur jedes fünfte Kind von Eltern mit hohem Bildungsabschluss berichtete.
Zwischen Dezember 2020 bis Ende Januar 2021 erfolgte dann für die zweite Welle der Corona-Pandemie eine weitere Erhebung (Ravens-Sieberer et al., 2021, b). Während für die erste Welle noch von 70,7% der Versuchspersonen von einer Belastung durch die Corona-Pandemie berichtet wird, liegt dieser Wert für die zweite Welle mit 82,6% bereits leicht darüber.
Im Frühjahr 2020 mussten nicht nur Läden und die Gastronomie dichtmachen, sondern auch die Schulen blieben geschlossen. Die Kinder sollten von nun an von zuhause aus unterrichtet werden, was sich vielerorts durch eine fehlende oder nur geringfügige Digitalisierung der Schulen als eine Herausforderung darstellte.
Nun wurde auch eine Studie der Frankfurter Goethe-Universität zur Wirksamkeit des Fernunterrichts in Pandemie-Zeiten veröffentlicht. Die Studie bezieht sich auf im Frühling 2020 weltweit erhobene Daten (Hammerstein, König, Dreisörner & Frey, 2021). Die Daten deuten auf negative Effekte der Schulschließungen auf die Leistungen der Schüler*innen hin. Die gefundenen Effekte seien sogar vergleichbar mit in anderen Studien gefundenen Effekten von Sommerferien. Insbesondere betroffen seien jüngere Schüler*innen als auch Schüler*innen aus Familien mit niedrigem sozioökonomischem Status.
Bezüglich des Einsamkeitserlebens der Kinder und Jugendlichen während der Corona-Pandemie liegen noch nicht sehr viele Daten vor, und jene, die bereits veröffentlicht wurden, sind nur eingeschränkt mit Daten vor der Pandemie vergleichbar.
Grundsätzlich zeigt sich aber schon, dass sich das Einsamkeitserleben durch die Corona-Pandemie verändert hat. In einer Studie von Langmeyer und Kollegen (2021) wird beispielsweise davon berichtet, dass sich während der Pandemie 27% der Kinder einsam, 27% teilweise einsam, 33% eher nicht einsam und 14% überhaupt nicht einsam fühlten. Im Vergleich dazu fühlten sich 80% der Kinder vor der Pandemie überhaupt nicht einsam, 8% eher nicht einsam und jeweils 4% teilweise einsam oder einsam. Diese Ergebnisse sind nur eingeschränkt zu interpretieren, dennoch stellen sie einen deutlichen Hinweis darauf dar, dass das Einsamkeitserleben während der Corona-Pandemie sehr viel höher ist im Vergleich zu der Zeit vor der Pandemie.
Auch in Bezug auf das Einsamkeitserleben gibt es wieder deutliche Unterschiede: So ist das Einsamkeitserleben bei Kindern, deren Eltern ein geringes Einkommen (48%) haben deutlich höher als bei Kindern von Eltern mit höherem Einkommen (22%). Auch die Situation in der Familie scheint dabei eine Rolle zu spielen. Bei häufigem schwierigem Familienklima (46%) ist das Einsamkeitserleben höher als in Familien, bei denen selten Konflikte und Chaos herrschen (16%). Hierbei ist jedoch zu beachten, dass die Kausalitäten noch völlig unklar sind.
Im Mai 2021 wurde nun auch die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) zur Gewalt an Kindern und Jugendlichen für das Jahr 2020 veröffentlicht. Es wurde ein Anstieg von 51% bei Verbreitung, Erwerb, Besitz und Herstellung von sexuellen Missbrauchsabbildungen verzeichnet (Beck, 2021). Auch das Livestreaming von sexualisierter Gewalt via Webcam aus den häuslichen Kinderzimmern wird immer mehr nachgefragt. „Durch Lockdown, Homeschooling und weniger Freizeitaktivitäten seien die Kinder den Gefahren im Internet vermehrt ausgesetzt. Gleichzeitig seien auch mehr Täter durch den Lockdown mehr im Netz aktiv.“ – Beck, 2021
Außerdem wurde eine Zunahme von 10% von Misshandlungen Schutzbefohlener im Vergleich zum Vorjahr registriert. Auch der Kindesmissbrauch ist wohl um 6,8% angestiegen. Eine Studie der Technischen Universität Münster (TUM) zeigt außerdem, dass die Corona-Pandemie zumindest als Katalysator bei häuslicher Gewalt gewirkt haben könnte.
Aktuelle wissenschaftliche Publikationen weisen darauf hin, dass die Corona-Pandemie nicht spurlos an Kindern und Jugendlichen vorbeigegangen ist. Zum einen scheint das psychische Wohlbefinden und auch das Einsamkeitserleben sich durch die Corona-Pandemie verschlechtert zu haben. Zum anderen gibt es auch erste Hinweise darauf, dass sich die Zahlen an Gewaltdelikten an Kindern und Jugendlichen durch die Pandemie und den damit einhergehenden gesellschaftlichen Einschränkungen erhöht haben könnten. Welche Auswirkungen die Corona-Pandemie langfristig auf die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen haben wird, wird sich vermutlich aber erst in den kommenden Jahren zeigen.
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