In der Erziehungs- und Familienberatung gibt es gemeinhin verschiedene Methoden, Verfahren und Instrumente, um Fachkräfte bei der Einschätzung einer Kindeswohlgefährdung zu unterstützen. Neben der Beratung mit einer anderen insoweit erfahrenen Fachkraft und der kollegialen Fallbesprechung sind im Folgenden die Möglichkeiten von Berater_innen angesprochen, im Beratungsprozess mit Klient_innen eigens dafür entwickelte Leitfäden, Fragebögen oder Checklisten zu nutzen. In der Erziehungs- und Familienberatung ist der Gebrauch solcher und ähnlicher Verfahren nicht einheitlich geregelt und daher aller Wahrscheinlichkeit nach sehr unterschiedlich. Im Frühjahr 2020 wurde an drei Aachener Erziehungsberatungsstellen1 im Kontext des Studiums der Sozialen Arbeit an der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen eine Befragung durchgeführt, bei der 19 Berater_innen mittels Kurzfragebogen zu diesen Methoden und Instrumenten befragt wurden.2 Das Forschungsinteresse bestand darin, einen ersten Eindruck darüber zu erlangen, wo Chancen und Grenzen von Gefährdungseinschätzungsmethoden aus Sicht der Erziehungsberater_innen liegen. Dazu wurde die Forschungsfrage „Wie gestaltet sich der Umgang mit Methoden und Instrumenten zur Gefährdungseinschätzung in der Praxis der Erziehungsberatung und wie nützlich erleben Fachkräfte diese zur fachlichen Einschätzung im Kontext des Kinderschutzauftrages?“ in den Fokus der Untersuchung gerückt.
Der Fragebogen enthielt zehn Aussagen, denen die befragten Fachkräfte in Form einer sechsstufigen Ratingskala zustimmen konnten (0% [keine Zustimmung], 20% [kaum zustimmend], 40% [eher weniger zustimmend], 60% [eher zustimmend], 80% [generell zustimmend] und 100% [voll und ganz zustimmend]). Die Stichprobe setzte sich aus Sozialpädagog_innen/Sozialarbeiter_innen (63 %), Psycholog_innen (26 %) und anderen Fachkräften (Pädagog_innen, pädagogisch-therapeutische Fachkräfte) (11 %) zusammen. Das Geschlechterverhältnis betrug 63 % (w) zu 37 % (m) und die durchschnittliche Berufserfahrung der Fachkräfte belief sich auf 10,4 Jahre.
Der zu Beginn des Forschungsprozesses aufgestellten Hypothese, dass der Mehrheit der Befragten aufgrund des weitverbreiteten Kinderschutz-Diskurses in der Sozialen Arbeit verschiedene Methoden und Instrumente zur Gefährdungseinschätzung bekannt wären, entsprachen 89 % der Befragten (drei Personen eher, acht Personen generell und sechs Personen voll und ganz zustimmend). Neben ihrer Kenntnis verschiedener Gefährdungseinschätzungsmethoden sollten auch andere Aspekte, wie
von den Fachkräften eingeschätzt werden. Hinsichtlich der Aussage „Im Beratungsprozess nutze ich solche Methoden/Instrumente regelmäßig“ ergab sich ein heterogenes Bild: zwar konnte eine Mehrheit der befragten Fachkräfte der Aussage eher zustimmen (sieben Personen), allerdings stimmten auch vier Personen dieser Aussage eher weniger zu. Immerhin fünf Personen stimmten der Aussage generell zu, jedoch nur zwei Personen voll und ganz. Eine Person konnte der Aussage, regelmäßig Methoden/Instrumente zur Gefährdungseinschätzung zu nutzen, kaum zustimmen.
Weitere Angaben der befragten Fachkräfte zeigen, dass entsprechende Methoden/Instrumente Sicherheit im Einschätzungsprozess geben und bereichernd wirken, hinsichtlich der Möglichkeit, sich mit Fallbetroffenen über gemeinsame Kriterien zu verständigen. Bis auf die Angaben von zwei Personen lagen sämtliche Zustimmungswerte hier bei 60 % oder höher. Die Aussage „Sie verhelfen mir im Prozess der Einschätzung meist zu eindeutigen Ergebnissen“ beantworteten die meisten Fachkräfte (63 %) zwar zustimmend, jedoch mehr als ein Drittel auch eher weniger, kaum oder überhaupt nicht zustimmend (vgl. Abbildung 1).
Angaben der befragten Fachkräfte waren bezogen auf die Aussage zur Praktikabilität der Methoden recht eindeutig. Die meisten Fachkräfte (89 %) konnten dieser Aussage eher weniger, kaum oder überhaupt nicht zustimmen. Ebenso gab der überwiegende Teil der Fachkräfte (79 %) an, dass derartige Methoden/Instrumente ihre Sicht auf die Besonderheit des Einzelfalls kaum schmälern würden. Erfreulicherweise zeigt die Befragung darüber hinaus, dass sich in den beteiligten drei Beratungsstellen, aus Sicht der Mehrheit der Fachkräfte (84 %), kritisch mit der Geeignetheit der besagten Methoden/Instrumente auseinandergesetzt wurde (vgl. Abbildung 2).
Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse der Befragung in den Aachener Beratungsstellen, dass Methoden und Instrumente zur Gefährdungseinschätzung, wie Frage-, Einschätzungsbögen oder Checklisten eine Rolle spielen. Dabei wurden diese überwiegend als sicherheitsgebend, verständigungsfördernd, ergebnissichernd, fallobjektivierend und praktikabel für die Beratungsarbeit im Falle einer drohenden Kindeswohlgefährdung empfunden. In einem weiteren Schritt wäre es darüber hinaus interessant zu wissen, welche konkreten Methoden, Verfahren und Instrumente in nordrhein-westfälischen Erziehungs- und Familienberatungsstellen Anwendung finden.
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