Seit einigen Jahren wird in unserer Beratungsstelle eine Gruppe für Kinder aus Trennungs- und Scheidungsfamilien angeboten. Immer wieder erhalten wir zu unserem Angebot positive Rückmeldungen der Kinder und Eltern. Wir möchten hier einen kleinen Einblick in unsere Erfahrungen geben: Was dieses Gruppenangebot aus Sicht der Kinder zu etwas Besonderem macht, ist der haltgebende Rahmen, den sie in
dieser Form im Alltag nicht erleben. Wir schaffen einen geschützten Raum: Jedes Kind muss bei dem, was es mitteilt, nicht die Loyalität seinen Eltern gegenüber wahren, nicht Gefühle verstecken, weil sie – an die Eltern adressiert – möglicherweise Traurigkeit, Wut oder Ähnliches auslösen. Die Kinder dürfen in der Gruppe einfach sie selbst sein, einfach Kind sein. Das schafft auch die Möglichkeit, etwas zuzulassen, was sonst keinen Raum hätte.
So betrachtet ein 8-jähriger Junge seinen Lebensfluss – ein Seil, an das er Fotos der Familie, entsprechende Gefühlskarten, Gegenstände und Figuren gelegt hatte – und wird von Trauer übermannt, als er realisiert, dass seine Eltern wohl nicht wieder ein Paar werden. Lange hatte er die Hoffnung gehabt und die andere Option nicht zulassen können. Es fällt ihm in den weiteren Gruppentreffen zunehmend leichter, die Trennung zu akzeptieren – er wünscht sich letztlich ein gutes Miteinander zwischen seinen Eltern und kann sich von dem lösen, was einmal war.
„Irgendwann wird es besser!“, versichert in einer der Gesprächsrunden ein 11-jähriges Mädchen, das schon eine ganze Weile mit getrennten Eltern lebt, und beschreibt sein Erleben über die Zeit danach. An der Reaktion der anderen Kinder in der Runde ist zu erkennen, welches Gewicht diese Aussage hat. Das war nicht ein schlauer Satz von einem Erwachsenen, sondern eine Aussage von einer von ihnen, von einer, die viel näher an diesem Thema ist.
„Bitte nicht mehr streiten!“ – ist eine Botschaft, die viele Kinder ihren Eltern mitteilen möchten. Die Eltern sind gespannt, wenn sie im Abschlussgespräch erfahren, dass sie eine Botschaft von ihren Kindern erhalten – kreativ umgesetzt auf einem Blatt Papier. Sie macht den Eltern bewusst, was ihre Kinder wahrnehmen und was sie in Zukunft tun können, um das Wohlbefinden ihrer Kinder zu steigern. So bespricht ein Elternpaar nach Erhalt dieser Botschaft, in welcher Form ein Austausch über Strittiges erfolgen kann, ohne dass die 8-jährige Tochter die Streitereien miterleben muss. Konkrete Veränderungswünsche können auch in anderer Form deutlich und spürbar werden. Ein 11-jähriges Mädchen empfindet die Situation beim Betreuungswechsel als sehr unangenehm und traurig. Ihre Eltern wechseln kein Wort miteinander, sehen sich nicht einmal an. Das Mädchen nutzt ein Rollenspiel für sich, um diese Situation noch einmal in unserem Rahmen nachzuspüren. Sie erhält aus der Gruppe Mitgefühl und Rückhalt – zum einen eine Bestätigung für ihr Empfinden und zum anderen Selbstvertrauen, um ihren Wunsch als Botschaft auf Papier zu bringen, die die Eltern von uns im Abschlussgespräch erhalten.
Einem 7-jährigen Jungen fällt es schwer, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen, vor allem mit seinen Stärken und Ressourcen. Er betrachtet seine gezeichnete Silhouette auf der Tapetenbahn und ist ratlos. Was kann ich eigentlich gut? Wir unterstützen ihn, indem wir ihm ressourcenorientiert spiegeln, was wir an ihm wahrnehmen und schätzen. Unterstützend wirken dabei auch der Brief der Mutter und der des Vaters, die beide Zeilen verfasst haben, um ihrem Sohn zu zeigen, wie wichtig er ihnen ist und was sie besonders an ihm schätzen. Diese Ressourcenbrille aufzusetzen, fällt dem Jungen sichtlich schwer, sind die Unzulänglichkeiten doch sehr präsent für ihn. Es ist zu spüren, dass dieser andere Blick ein neuer, ein ungewohnter ist. Aber er wagt ihn. Und das kann ein Anfang sein und ihm helfen, seinen Selbstwert zu stärken. Im Elterngespräch zur Auswertung der Gruppentreffen – nicht lange nach der Auseinandersetzung mit sich selbst – geben wir den Eltern des Jungen als Anregung mit, ihrem Sohn noch häufiger den Blick durch die Ressourcenbrille zu ermöglichen. Sie schätzen sehr, dass wir einen besonderen Blick auf ihr Kind haben – wir erstellen keine Gutachten, fällen kein Urteil, sind nicht Anwalt für die Mutter oder den Vater. Wir unterstützen die Kinder dabei, die Trennung zu bewältigen, und setzen die Kinderbrille auf.
Referent:in
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